Wie KI unsere Arbeit verändern wird

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, viele Aspekte unseres Lebens zu verändern, auch unsere Arbeit. Es wird erwartet, dass KI in Zukunft viele Jobs ersetzen wird, die auf Routinearbeiten und klaren Regeln basieren. Die Gesamtauswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt sind jedoch noch unklar. Wir wagen einen Blick in die Glaskugel.

Wie KI unsere Arbeit verändern wird

Historische Entwicklung von Arbeit & Automatisierung

Die Geschichte der Arbeit ist geprägt von andauernder Automatisierung und Produktivitätssteigerung. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und dem Beginn der industriellen Revolution fingen wir an, große Teile manueller Arbeit von Maschinen erledigen zu lassen. Es folgte die Erfindung des Computers, der uns zunächst dabei half, einfache intellektuelle Aufgabe zu lösen, z.B. Rechenaufgaben. Mit dem Internet begann das digitale Zeitalter, das vor allem durch die Vernetzung von Menschen und Informationen geprägt ist und bis heute wahnsinnige Produktivitäsgewinne möglich macht.

In all dieser Zeit stand immer wieder die Angst im Raum, die Innovationen könnten die Arbeitsgrundlage bestehender Berufsgruppen gefährden und somit für Teile der Bevölkerung zu Arbeitslosigkeit und Armut führen. Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Unsere dynamischen kapitalistischen Wirtschaftssysteme haben stets dafür gesorgt, dass freigewordene Arbeitskapazitäten an anderer Stelle gewinnbringend eingesetzt wurden. Die sozialen Sicherungssysteme, wie wir sie beispielsweise in der deutschen sozialen Marktwirtschaft haben, sorgten in den Übergangsphasen zusätzlich für eine weiche Landung. Die Produktivitätsgewinne wurden in der Bevölkerung aufgeteilt, wodurch der Wohlstand über alle Einkommensgruppen stets zugenommen hat. Darüber hinaus hat die durchschnittliche Wochenarbeitszeit kontinuierlich abgenommen, von ca. 60 Stunden (1900) bis unter 35 Stunden (2022).

Entwicklung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit in Deutschland 1871-1990

Machen wir uns nichts vor: Aufgrund von Fortschritt, Innovation und Produktivitätssteigerung leben wir heute deutlich besser (und entspannter) als jemals zuvor. Wir sehen dem Potenzial von KI deshalb grundsätzlich positiv entgegen, auch wenn es natürlich eine Reihe von Herausforderungen und Risiken gibt.

Jetzt also Künstliche Intelligenz

Die breite Verfügbarkeit von Künstlicher Intelligenz (KI) ist zweifellos der größte technische Fortschritt seit der Erfindung von Internet und Smartphones. Mit ihrer Hilfe können Systeme teilweise autonom Aufgaben erledigen, indem sie anhand zuvor trainierter Daten, Theorien und Konzepte eigenständig ableiten, wie bestimmte Ziele erreicht werden können. Zuvor konnten Computer zwar auch eine breite Fülle von Aufgaben für uns erledigen, jedoch mussten die Lösungswege stets bekannt und vorher festgelegt (i.d.R. programmiert) sein.

Aber bevor wir einen genaueren Blick auf die Chancen und Risiken für einzelne Berufsgruppen werfen, sollten wir zunächst einmal schauen, welche Möglichkeiten Künstliche Intelligenz (KI) auf abstrakter Ebene bietet:

  • Vorhersagen über die Zukunft anhand historischer Daten, zum Beispiel Wettervorhersagen.
  • Identifizieren von Anomalien/Ausreißern in strukturierten Daten, zum Beispiel bei der Betrugserkennung.
  • Extrahieren von Mustern aus Daten, zum Beispiel bei Empfehlungssystemen.
  • Auswertung komplexer, unstrukturierter Daten, zum Beispiel bei der Bewertung und Zusammenfassung langer Texte.
  • Optimierung von Prozessen um Zeit und Energie zu sparen, zum Beispiel bei Routenplanung.
  • Generieren von Inhalten, zum Beispiel Texte, Bilder oder Video.

Wenn man sich die obige Aufteilung anschaut, wird schnell deutlich, dass die größten Potenziale bei geistiger Routinearbeit liegen, also beispielsweise Buchhaltung, Sachbearbeitung oder Erstellung wiederkehrender Inhalte wie Immobilien-Exposés. Das betrifft also besonders die typische Arbeit “im Büro”. KI ist hingegen schwach wenn es um logische Schlussfolgerungen, echte Kreativität und Koordination geht.

Unsere Einschätzung zu den Berufsgruppen

Damit dieser Artikel nicht aus allen Nähten platzt, haben wir nachfolgend bestimmte Berufe grob in Berufsgruppen zusammengefasst und jeweils unsere Einschätzung dazu abgegeben:

  • Kreativberufe (Illustratoren, Grafikdesign, Marketing, Fotografen, etc.)
    Hier muss man die handwerkliche Routinearbeit von der “echten Kreativität” unterscheiden. Während KI schon heute viele Routineaufgaben wie das Retuschieren von Fotos oder Generieren von Illustrationen gut beherrscht, wird weiterhin der echte kreative Input benötigt. Gerade an Originalität fehlt es KI bislang gänzlich. Wir finden das positiv, denn dadurch können sich Kreative künftig mehr der echten schöpferischen Kreativität ihrer Arbeit widmen.
  • Medienberufe (Journalisten, Redakteure, Moderatoren, etc.)
    Bei den Medienberufen erwarten wir einen Wandel weg von Masse hin zu Qualität. Bislang wurde versucht möglichst viel Inhalt in kurzer Zeit zu produzieren. Mit KI ist die handwerkliche Arbeit der Inhaltserstellung nicht mehr das Bottleneck. Wir glauben und hoffen, dass daher künftig wieder mehr Fokus auf eine hohe Qualität von Inhalten gelegt werden wird, also gute Recherchearbeit, inhaltliche Tiefe oder Spannung.
  • Bewertende Berufe (Recruiter, Sachbearbeiter, Anlageberater, etc.)
    Bei den bewertenden Berufen sehen wir das größte Potenzial, denn KI ist besonders gut darin anhand historischer Daten und anhand großer Datenmengen Muster zu erkennen und Klassifizierungen zu vorzunehmen. Wir können uns durchaus Szenarien vorstellen, in denen gesamte Aufgabenfelder durch KI-Systeme ersetzt werden, die dann nur noch menschlich überwacht werden.
  • Beratungsberufe (Anwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, etc.)
    Menschen aus beratenden Berufen dürfen sich freuen, denn ihre Arbeit wird durch KI deutlich erleichtert, bleibt aber höchstrelevant. Gerade die müßigen Routinearbeiten wie die Prüfung langer Vertragstexte, Auswertung von Unternehmensdaten oder Erstellung von Präsentationen werden deutlich erleichtert. Viel relevanter werden daher Schlussfolgerungen oder die strategische Arbeit, im Fall von Anwälten also beispielsweise Verhandlungsstrategien.
  • Medizinische Berufe (Ärzte, Pflegekräfte, Laboranten, etc.)
    Auch bei dieser Berufsgruppe gehen wir davon aus, dass durch KI die Qualität zunimmt. Ärzte werden schon heute beim Stellen von Diagnosen durch KI unterstützt, z.B. bei der Hautkrebsdiagnostik oder in der Impfstoffforschung. Durch die zusätzliche Hilfe können Fehler vermieden werden. Gleichzeitig fallen lästige Routineaufgaben weg, sodass mehr Zeit für den Patient als Mensch bleibt. Angesichts steigender Gesundheitskosten und einer alternden Bevölkerung ein durchaus optimistischer Ausblick.
  • Pädagogische / Lehrende Berufe (Erzieher, Lehrer, Professoren, etc.)
    Eine der größten Herausforderungen bei diesen Berufen ist die mangelnde Konzentration auf die Empfänger, als Kinder, Schüler, Studenten. In einem computergestützten Lernumfeld hätten vor allem Lehrer und Dozenten deutlich mehr Zeit für eine direkte (pädagogische) Interaktion mit den Lernenden. Bislang fehlte es computergestützten Lernsystemen dafür an Personalisierungsmöglichkeiten, die nun durch KI gegeben sind.
  • Vertriebliche Berufe (Händler, Verkäufer, etc.)
    Hier sehen wir einen vergleichsweise geringen Impact durch KI, denn wir glauben, dass der Erfolg bei vertrieblichen Berufen maßgeblich aus der menschlichen, emotionalen Interaktion kommt. Letztlich kaufen Menschen doch am liebsten bei Menschen, denen sie vertrauen. Anders sieht es in der vorbereitenden Vertriebstätigkeit aus, also beispielsweise bei der Generierung oder Qualifizierung von Leads. Hier könnten autonome KI-Systeme durchaus einen größeren Teil der Aufgaben übernehmen.
  • IT-Berufe (Programmierer, Systemadministratoren, etc.)
    Bei den IT-Berufen ist das Potenzial von KI enorm und ja, auch ein Risiko für einige. Wir gehen fest davon aus, dass ein Großteil der manuellen Programmier- oder Konfigurationsarbeit wegfällt, wodurch der Fokus deutlich stärker auf Architektur, Skalierbarkeit und Sicherheit gelegt werden wird. Wir halten es für nicht unrealistisch, dass die bisherigen 10x Developer (so bezeichnet man Devs, die 10x so gut sind wir normale Devs) dadurch zu 20x oder 30x Developern werden können. Herausfordernd wird es für all jene, die bisher vor allem routinemäßigen Code geschrieben haben.
  • Finanzberufe (Banker, Buchhalter, etc.)
    In diesem Bereich beobachten wir bereits seit Jahren eine zunehmende Automatisierung. Ob bei der Kreditprüfung, Anlageberatung (Stichwort Robo-Advisor) oder Buchhaltung/ERP. Die Menge an verfügbaren Daten wird weiter exponentiell zunehmen, wodurch KI Systeme immer besser darin werden, gute Entscheidungen zu treffen oder vorzuschlagen. Wir können uns vorstellen, dass die Zukunft dieser Berufsgruppe vor allem von der Fähigkeit abhängt, langfristig das Vertrauen der Kunden zu gewinnen um zu einer beratenden Tätigkeit zu werden.
  • Ingenieurwesen (Elektroingenieure, Maschinenbauingenieure, Bauingenieure, Architekten, etc.)
    Beim Ingenieurwesen haben wir einen Burger vor Augen, bei dem die beiden Brothälften jeweils Input und Output darstellen und das Fleisch in der Mitte ist die Lösungsfindung (Recheneinheit). Häufig sind Inputparameter höchst komplex und müssen manuell besorgt werden. Der Output muss vermittelt und integriert werden. Wir glauben daher, dass das große Potenzial von KI bei der Lösungsfindung liegt. Also bei der automatisierten Berechnung von Statik, Simulationen, oder beispielsweise der automatisierten Erstellung von Grundrissen für große Bauprojekte.

Und was ist mit manueller Arbeit?

In der obigen Bewertung haben wir uns vor allem auf geistige Berufe konzentriert. Das hat den Grund, dass wir darin die unmittelbaren größten Veränderungspotenziale sehen. Das heißt aber nicht, dass Berufe mit “manueller” Arbeit von KI unberührt bleiben. Aus unserer Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis KI auch seinen Weg in die physische Welt findet, z.B. indem sie mit Qualitätssicherungssystemen oder der Steuerung von Robotern verknüpft wird. Allerdings glauben wir auch, dass für die wirklich komplexen Anwendungsfälle die bisher recht statischen motorischen Fähigkeiten von Robotern an die dynamische Lösungsfindung von KI angepasst werden müssten.

Gesellschaftliche Herausforderungen

Unsere Einschätzung zu den meisten Berufsgruppen ist sehr positiv. Wir glauben, dass Menschen sich durch KI in vielen Fällen mehr auf das Wesentliche ihrer Arbeit konzentrieren können, wodurch die Qualität steigt.

Aber es gibt auch Berufsgruppen, die starker Veränderung gegenüberstehen. Wie bereits in der Einleitung zur Historie von Arbeitsautomatisierung geschildert, ist das eine normale Entwicklung und eine natürliche Konsequenz aus Innovation. Allerdings hat Innovation selten so schnell stattgefunden wie heute. In der bisherigen Geschichte hatten Menschen und Gesellschaft wenigstens ein paar Jahrzehnte Zeit, um sich anzupassen. Angesichts der aktuellen Innovationsgeschwindigkeit rund um KI sind wir aber besorgt, dass unsere Gesellschaft nicht hinreichend auf die nahenden Veränderungen vorbereitet ist.

Wir glauben, dass es vor allem die Aufgabe der Arbeitgeber ist, ihre Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle und ihre Mitarbeitenden auf die Veränderungen vorzubereiten. Unternehmer und Manager sollten jetzt agieren um sich mit den Chancen und Risiken von KI auseinanderzusetzen und um ihre Belegschaft frühzeitig technologisch fit zu machen, d.h. sie für KI weiterzubilden.

Fußnoten